Kritik der aktuellen Conjoint CD

9.03.2007 - JAZZ PODIUM, Februar 2007, CONJOINT: "A Few Empty Chairs" Büro CD 003/Hausmusik

Gerade in der mittleren Generation verfügt der deutsche Jazz über eine ganze Reihe herausragender Persönlichkeiten, die leider nicht immer die Aufmerksamkeit finden, die ihnen und ihren Projekten zukommt. Einer dieser großartigen Musiker ist der Heidelberger Gitarrist Gunter Ruit Kraus. Sein wichtigstes Projekt nennt sich Conjoint und beschreibt eine der aktuell hochwertigsten Verbindungen von Jazz (Kraus, Karl Berger) und Elektronik (David Moufang, Jamie Hogde). Gunter Kraus’ fluider Sound und seine außergewöhnlichen melodischen Wendungen sind der Kristallisationspunkt des Projekts: Immer wieder schiebt er sich vermittelnd zwischen Vibraphon und Electronics, um zum richtigen Zeitpunkt Richtungswechsel zu initiieren und so das Erstarren in Klangschleifen zu verhindern. Dazu braucht er keine ausufernden Soli, er führt ganz diskret und souverän aus der Reduktion. Aber auch die Electronics sind stimmig und hier weniger Effekt als Instrument, worin sich die profunde musikalische Ausbildung der beiden Soundtüfftler Moufang und Hodge widerspiegelt. Sie sind im Sinne echter musikalischer Kommunikation inspirierend und ermöglichend und eben nicht bloß arabesk, wie das häufig der Fall ist. Generell ist diese Musik ein kunstvoll ästhetisierten, gelassenes Sich-selbst-Umfließen, gespickt mit wohligen Ambient-Zitaten. Auf eine stringente klassische Song-Dramaturgie wird dabei zugunsten einer Art musikalischer Tupf-Technik verzichtet, in der die großen Linien und Bögen nur angedeutet sind. Daraus entstehen eigentümlich neue und sehr spannende musikalische Raster. Bei aller Freiheit ist das Zusammenspiel der zum Teil um Gastmusiker ergänzten vier Hauptakteure derart perfekt, dass man schon sehr genau hinhören muss, um überhaupt zu merken, dass es sich bei den Stücken auf „A Few Empty Chairs“ durchweg um Live-Aufnahmen handelt. So steht eines fest: Würde die Platte nicht eher halbherzig vermarktet, sie würde eine Vielzahl von Käufern in beiden Lagern finden – im Jazz wie im Dancefloor. Aber sehen wir es positiv: Conjoint ist und bleibt ein Geheimtipp für Connaisseure.

Volker Doberstein